Unvergesslicher Abend der Sünde
Freitag, 19. März 2010Ostbevern - Solch einen Abend der Sünde vergisst man nicht so schnell - im Kaseinwerk konnte
der künstlerische Ausflug in die Niederungen menschlichen Denkens und Empfindens einfach niveauvoll
unterhalten. Mit einem sehr vielseitigen Programm zeigte die Kulturwerkstatt unter dem Titel „Sinn und Sünde“ im
Rahmen von „Ostbevern liest!“ die Vielschichtigkeit und den Facettenreichtum der großen Schwächen in Wort und Ton.
Mit humoristisch gefärbten Worten führte Frank Düring die über 160 Kulturinteressierten durch einen zauberhaften Abend,
bei dem natürlich nicht nur die Seele verwöhnt wurde. Nach einem kulinarischen Büfett mit den Köstlichkeiten der Küche
des Landhotels Beverland entspannte man sich bei Musik und Literatur. Die Zeit verging mit den sensibel zusammengestellten
Beiträgen wie im Fluge.
Den roten Faden lieferten die sieben „Todsünden“ selber, deren höllische Strafen allerdings an diesem Abend niemand
zu fürchten brauchte. Brigitte Pohl, Caroline Kunert, Martina Licht und Beate Nowotnik konnten als Rezitatorinnen die
Herzen der begeisterten Zuhörer im Sturm erobern. Ihr Partner Konrad Stendner las seine Beiträge unheimlich charmant mit
seiner markanten Stimme.
Mit Texten der deutschen Romantik und des Sturm und Drangs wurde der nicht so bekannten Seite im Schaffen von Theodor Fontane
bis Johann Wolfgang von Goethe gedacht. Aber auch modernere Schriftsteller kamen an diesem Abend zu Wort, da ließ man sich
einfangen von der sprachlichen Brillanz eines Joachim Ringelnatz und dem Wortwitz eines Frank Wedekind.
Matthias Bals am Flügel sorgte für die musikalisch klangmalerische Ergänzung, da erhielten die markant vorgetragenen Verse ein
ganz beeindruckendes Gewand. Norbert Götkes und Franz Winkels streuten nicht nur Zitate aus berühmten Bach-Kantaten in ihre
Beiträge ein, sie musizierten als Formation ebenso mitreißend. Da erklang selbst „Money, Money“ von ABBA gar nicht sündig,
sondern einfach berauschend.
Ulla Elbers erntete mit der Berliner Moritat von „Wegen Emil seine unanständ´ge Lust“ großen Beifall. Mit ihrer Interpretation
hätte sie selbst die legendäre Claire Waldoff überzeugt. Friedrich Holländers Lied „Ein Neandertaler“ sang sie mit großer Inbrunst,
da glaubte man ihr einfach die Sehnsucht nach einem wahren Manne.
Mit einem grandiosen Stimmungswalzer „Dort tanzt Lulu“ von Will Meisel aus alten UFA-Zeiten endete dieser niveauvoll unterhaltsame
Abend. Da sang das ganze Ensemble so lebendig, dass selbst der Staub von 100 Jahren zerstob. Die am Anfang musikalisch gestellte
Frage „Kann denn Liebe Sünde sein“ findet nach solch kunstvoll präsentierten Werken sicherlich eine verneinende Antwort.
Ein literarisch-musikalischer Abend wie dieser sollte bald wiederholt werden, denn für diese gut gemachte Unterhaltung findet
sich immer ein aufgeschlossenes Publikum.
VON AXEL ENGELS
Quelle: Westfälische Nachrichten (Telgte)